von Ricardo Gondim (Brasilianischer Schriftsteller)
Ich zählte meine Jahre und entdeckte,
dass mir weniger Lebenszeit bleibt, als die,
die ich bereits durchlebt habe.
Ich fühle mich wie jenes Kind,
das eine Schachtel Bonbons gewann:
die ersten aß es mit Vergnügen,
doch als es merkte, dass nur noch wenige übrig waren,
begann es, sie wirklich zu genießen.
Ich habe keine Zeit mehr für endlose Konferenzen,
in denen Statuten, Regeln, Verfahren und interne Vorschriften besprochen werden,
wohl wissend, dass nichts erreicht wird.
Ich habe keine Zeit mehr,
absurde Menschen zu ertragen,
die ungeachtet ihres Alters nicht gewachsen sind.
Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen.
Ich will nicht in Meetings,
in denen aufgeblasene Egos aufmarschieren.
Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
Mich stören die Neider,
die versuchen, Fähigere in Verruf zu bringen,
um sich ihrer Positionen, Talente und Erfolge zu bemächtigen.
Die Menschen, die keine Inhalte diskutieren,
sondern, wenn’s hochkommt, die Titel.
Meine Zeit ist zu knapp,
um über Überschriften zu diskutieren.
Ich suche nach dem Wesentlichen,
denn meine Seele hat es eilig.
Ohne viele Süßigkeiten in der Schachtel.
Ich möchte an der Seite von Menschen leben,
die sehr menschlich sind.
Die über ihre Irrtümer lachen können,
die sich nichts auf ihre Erfolge einbilden.
Die sich nicht vorzeitig berufen fühlen.
Die nicht vor ihrer Verantwortung fliehen.
Die die menschliche Würde verteidigen.
Und die nur an der Seite von Wahrheit und Anstand gehen möchten.
Das ist es, wofür es sich zu leben lohnt.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die sich darauf verstehen,
das Herz der Menschen zu berühren.
Menschen, denen die harten Schläge des Lebens beibrachten,
in sanften Berührungen der Seele zu wachsen.
Ja … ich habe es eilig … in der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann.
Ich versuche, keine der Süßigkeiten, die mir noch bleiben, zu verschwenden.
Ich bin mir sicher, dass sie noch köstlicher sein werden, als die, die ich bereits gegessen habe.
Mein Ziel ist es, das Ende zufrieden zu erreichen,
in Frieden mit mir,
meinen Lieben,
und meinem Gewissen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn Du erkennst, dass Du nur eins hast.
Lieber grosser Bruder,
So still und leise und heimlich wie eine Metamorphose einer Larve zum Schmetterling, gleichwohl so unüberhörbar und laut und deutlich wie eine Explosion.
Jetzt hast Du uns alle überholt… – die wir schon immer ausbrechen wollten, die eisernen Ketten sprengen und hinaus in die weite, schöne Welt. Das Gefängnis hinter uns lassen, die Freiheit schmecken und endlich das Leben zu feiern, dass wir uns nicht verdienen müssen, sondern das uns einlädt, es zu leben.
Wenn Du denn in See stichst, so richtig, das allererste Mal, sind wir alle ganz nah dabei und feiern mit Dir dieses wahre Leben. Just, in diesen Moment, sehe ich die Schweinswale hier oben im hohen Norden an die Wasseroberfläche schwimmen, nur die Rückenflosse sichtbar. Das passt…
Ich bin so unendlich stolz auf Dich.
In Liebe, Andrea